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... "Der 21. Mai 2016 rückte unaufhaltsam näher und es wuchsen neben unseren Laufmuskeln auch die Zweifel an dem gesunden Verstand, mit welchem wir uns ein solches Unternehmen ausgedacht hatten." ...

72,7 Kilometer über die Höhen des Thüringer Waldes – ein Erfahrungsbericht

 
Der Rennsteiglauf gilt als der größte und einer der schwersten (Ultra-) Cross-Marathons Europas und es soll laut Veranstalter und früheren Teilnehmern auch einer der schönsten sein.
Da wir zwei vom TV 05 Wetter auch einmal (gemeinsam!) einen landschaftlich schönen und herausfordernden Ultralauf absolvieren wollten, starteten wir mit unserem Training bereits Anfang Januar diesen Jahres: Wir wussten ja um sehr anstrengende 72,7 km über die Höhen des Thüringer Waldes, welche uns ab Eisenach erwarteten.
 
Fast jeden Sonntag und teils während der Woche liefen wir für ca. 3-4 Stunden über die hiesigen Berge, durch Wälder und Wiesen und bemühten uns – neben Familie und Arbeit und dem ganz normalen Leben - um möglichst viele Laufkilometer. Ohne bedeutende Verletzungen und mit jeweils neu erfahrenen Laufstrecken konnten wir so unsere Vorbereitung über insgesamt 19 Trainigswochen durchführen und ganz besonders während der langen Läufe tauschten wir uns über Gott & die Welt aus, denn Laufen sollte neben manch Anderem vor allem auch Eines machen: ganz viel Freude !
Sackpfeife und Arennest, Katzenbach und Eckelskirche, Lahntal- und Ellerweg, Stirnhelle, Hundeburg und Badensteine, Spiegelteich und Druseborn, Langer Grund und Rotes Wasser, Franzosenwiesen, Herrenbänke und viele andere, verträumte und bezaubernde Orte durchliefen wir und vergaßen dabei manchmal auch die Zeit und unseren Alltag…
 
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Der 21. Mai 2016 rückte unaufhaltsam näher und es wuchsen neben unseren Laufmuskeln auch die Zweifel an dem gesunden Verstand, mit welchem wir uns ein solches Unternehmen ausgedacht hatten.
Versorgt mit vielen Portionen Kohlenhydraten fuhren wir endlich am 20. Mai los und checkten in einer schönen, direkt an der Werra gelegen Ferienwohnung unterhalb der Brandenburg ein. Unsere freundliche Vermieterin erzählte uns, dass bis 1989 direkt vor ihrem Haus die schwer gesicherte innerdeutsche Grenze verlief und so kam uns die deutsche Geschichte auch ganz nah.
 
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Später am Tag holten wir unsere Startunterlagen am heute schönen Marktplatz der alten Wartburgstadt Eisenach ab. Dort gab es am Abend auch die berühmten Thüringer Klöße – wer wollte auch gerne mit Köstritzer Schwarzbier – zum Kohlehydratspeichern und wir tauschten uns mit erfahrenen RennsteigläuferInnen über die anstehende Strapaze aus.

 

Nach einer erstaunlich ruhigen Nacht wurde es für uns zwei dann am nächsten Morgen ernst: Um 6:00 war Start auf eben jenem Marktplatz, wo wir am Abend zuvor noch locker beisammen saßen. Nun musste jeder sein passendes Tempo laufen - beide aber mit viel Ungewissheit und flauen Gefühlen im Bauch – in Richtung Schmiedefeld. 72,7 Kilometer mit über 1850 Höhenmetern im Anstieg sowie 1350 Metern im Abstieg lagen vor uns und zum Glück auch 14 gut bestückte Verpflegungsstellen mit einigen typischen thüringischen Spezialitäten - wie z.B. dem berühmten Rennsteig-Haferschleim-Krafttrunk (!). Nun waren wir beide gefordert, mit unseren physischen wie geistigen Kräften sorgsam hauszuhalten.
Wir konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ahnen, dass Andreas nach 7:58 Stunden und Holger nach 8:12 Stunden unversehrt und überglücklich ins Ziel laufen würden: Mit ausgesprochen guten Zeiten, relativ weit vorn angesiedelt in unserer Altersklasse und auch im Gesamtfeld aller LäuferInnen. War es da noch verwunderlich, dass wir nach dem Duschen, nach etwas Essen und Trinken, nach ungläubigem Staunen über unseren Urkunden dann gar nicht mehr mit dem Shuttlebus nach Eisenach zurück wollten: Es war einfach zu nett (und erholsam !) dort auf der Wiese in Schmiedefeld, direkt neben dem „schönsten Ziel der Welt“, wie dieser Ort einmal im Jahr auch genannt wird. Und oben am Himmel lachte uns auch noch die Sonne.
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Aber wir mussten doch irgendwann wieder aufstehen – sofern uns dies mit unseren Beinen noch irgend möglich war. Während der über eineinhalb Stunden dauernden Rückfahrt mit dem Bus, teils über Autobahn, konnten wir einen Großteil der Strecke über den Thüringer Wald sehen. Ungläubig über die Streckendimension zogen im weiten Blickfeld die einzelnen Stationen in Gedanken an uns vorbei.
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Später am Abend saßen wir bei einer Pizza (vereint mit anderen Leidens- und GlücksgenossInnen !) wieder in der Fußgängerzone unterhalb des Lutherhauses in Eisenach. Wir ließen einen wunderschönen und erfolgreichen Tag ausklingen, bereichert durch eine große Erfahrung, welche wir zwei nicht so schnell vergessen werden, weil man sie eigentlich gar nicht vergessen kann.
 
(A. Look & H. Maiworm)